Im öffentlichen Bereich gibt es eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten für Mediation. Ausschlaggebend ist hier die Erkenntnis, dass die herkömmlichen Verwaltungs- und Partizipationsverfahren den Interessen der Beteiligten oft nicht mehr gerecht werden. Im Mittelpunkt der Mediation im öffentlichen Bereich stehen die Planungs- und Genehmigungsverfahren, bei denen beispielsweise die Interessen des Anlagenbetreibers, der Anlieger und der beteiligten Behörden in Widerspruch geraten. Wegen der Umweltrelevanz vieler derartiger Konflikte wird die Mediation in diesem Bereich manchmal etwas unscharf als „Umweltmediation“ bezeichnet. Wo hilft Mediation im öffentlichen Bereich? Mediation ist im öffentlichen Bereich anwendbar Zur Regelung von interessenpluralen, zumeist umweltrelevanten Konflikten Verkehr Verkehrsentwicklungspläne, Mobilitätskonzepte, insbes. Entscheidungen über den Bau von Fernstraßen, Autobahn- und Eisenbahntrassen, Wasserstraßen, über das Anlegen verkehrsberuhigter Zonen, den Bau von Umgehungsstraßen und den Neu- bzw. Ausbau von Flughäfen Abfall und Altlasten Abfallwirtschafts- und Altlastensanierungsprogramme, Sonderabfallkonzepte und Abfallentsorgungspläne, insbesondere Entscheidungen über den Bau von Müllverbrennungsanlagen, das Einrichten von Deponien, Sammelstellen Bau und Planung Erstellen von Raumordnungs- und Bauleitplänen sowie deren Realisierung Wasser Programme zur regionalen oder lokalen Grundwassernutzung, Abwasserentsorgungsprogramme, Ausweisen von Wasserschutzgebieten Naturschutz oder Landschaftsplanung Entwicklungs- und Landschaftsrahmenplanung, Naturschutzprogramme, Renaturierungspläne Agenda 21 Prozesse Entwicklung von zukunftsgerichteten Leitbildern zur kommunalen Entwicklung unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte Energie kommunale Energieeinsparungsprogramme, Entscheidungen über den Bau von Kraftwerken und Raffinerieanlagen, Anlagen für radioaktive Abfälle Gentechnik Forum über Chancen und Risiken der Gentechnologie, Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen Chemie Forum über Nutzen und Risiken der Chemiepolitik, Bau von Chemieanlagen Zur Vorbereitung von Behörden- bzw. Verwaltungsentscheidungen sowohl intern als auch im Verhältnis zum Bürger Im Bereich der Gesetzgebung zur Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen und effektiven Einbeziehung aller betroffener Gruppen und Institutionen Innerhalb des Rechtsschutzverfahrens
Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Bereich Die Mediation im öffentlichen Bereich weist im Gegensatz zu anderen Anwendungsgebieten der Mediation einige Besonderheiten auf, die vor allem auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Problem um Konflikte handelt, die meist in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Beteiligung vieler Parteien - Arbeit mit großen Gruppen Komplexe Konfliktgegenstände Interessenvertretung durch Repräsentanten Konfliktaustragung in der Öffentlichkeit Ideologisch und weltanschaulich geprägte Positionen und Argumente Vielfältige Interessenebenen Unterschiedliche Machtressourcen Unsicherer Ausgang eines möglichen rechtsförmlichen Verfahrens Arbeit von Mediatorenteams mit zwei bis vier Mediatoren
Zu welchem Zeitpunkt empfiehlt sich eine Mediation im öffentlichen Bereich? Die Erfahrung mit Mediation im öffentlichen Bereich zeigt, dass der Einsatz vor allem bei zwei Fallkonstellationen sinnvoll und erfolgversprechend erscheint: Im Vorfeld eines drohenden Konflikts, wenn sich die Betroffenen einig sind, dass ein komplexes Thema zur Diskussion ansteht, in dem grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen, Interessen und Positionen aufeinandertreffen. Bei derart latenten Konflikten kann eine Mediation präventiv wirken, um anstehende gesellschaftliche Probleme vor ihrer Eskalation sachlich und weniger emotional aufzuarbeiten. Wenn sich Konflikte im öffentlichen Bereich so verschärft haben, dass die Beteiligten keine andere Möglichkeit sehen, als ihre Positionen durch die Mobilisierung von Öffentlichkeit, Gerichtsprozesse, Drohungen und gegenseitige persönliche Angriffe durchzusetzen, also „der Karren vor die Wand gefahren ist“, dann bietet Mediation in dieser Situation häufig eine neue Perspektive. Der Leidensdruck der Beteiligten ist oftmals so groß, dass ein Mediator durch die Wiederherstellung kommunikativer Beziehungen und die Rückführung auf sachliche Argumente die Beteiligten dazu bewegen kann, gemeinsam an der Lösung ihres Konflikts zu arbeiten.
Literatur Förderverein Umweltmediation e.V. (Hrsg.), Studienbrief Umweltmediation - eine interdisziplinäre Einführung, Bonn 1999, für ca. 15,- Euro erhältlich beim Förderverein Mediation im öffentlichen Bereich e.V., Postfach 252, 57502 Betzdorf Ulrike Rüssel, Mediation in komplexen Verwaltungsverfahren, Nomos-Verlag
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