Vielleicht kommt Ihnen folgende Situation bekannt vor?
Herr und Frau K sind - beide in zweiter Ehe - seit zehn Jahren miteinander verheiratet. Sie schlossen einen Ehevertrag, in dem Frau K auf jeglichen Unterhalt verzichtet hat. Frau K brachte in die Ehe ein damals 3-jähriges schwerbehindertes Mädchen mit, das nicht das eigene war, sondern das sie im Verlauf ihrer ersten Ehe zur Pflege zu sich genommen hatte. Vor zwei Jahren entschlossen sich Herr und Frau K schließlich zur Adoption. Das Adoptionsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Innerhalb der letzten eineinhalb Jahre kam es zu schwerwiegenden Vorfällen, die ein weiteres Zusammenleben für beide unmöglich gemacht haben. Beide sind davon überzeugt, dass ihre Ehe nicht mehr zu retten ist und eine Scheidung der beste Weg für sie darstellt. Aber Frau K hat Angst: Was soll aus ihr und dem Kind werden? Sie selbst kann nicht arbeiten gehen, da das Mädchen der ganztägigen Pflege bedarf, aber durch den Ehevertrag hat sie auf jeglichen Unterhalt für sich verzichtet. Da das Mädchen nicht das leibliche Kind des Herrn K ist und die Adoption noch nicht abgeschlossen wurde, besteht auch für das Kind kein Unterhaltsanspruch. Tief verletzt durch die Vorfälle der vergangenen Jahre und voller Angst beschließt Frau K, jegliches Geschütz aufzufahren, das ihr in die Hände fällt - rechtlich wie tatsächlich. So weigert sie sich zunächst standhaft, aus dem Haus des Mannes auszuziehen; sie droht mit Klage und einem langwierigen Prozess, wenn Herr K nicht nachgibt, ihr das Haus überlässt, bis an ihr Lebensende einen ganz ordentlichen Betrag zahlt und noch mal monatliche Unterstützung für das Kind.
Auch Herrn K geht es in der gesamten Scheidungsauseinandersetzung nicht gut. Schließlich ist Klara auch ihm ans Herz gewachsen und er fühlt sich mitverantwortlich für ihr weiteres Leben. Herr K hat von seinem Anwalt erfahren, dass es die Möglichkeit zur Durchführung eines Mediationsverfahrens gibt. Er lässt seiner Frau informative Unterlagen zukommen und auch sie erkennt die Chancen, die in diesem Verfahren liegen. Sie entscheiden sich für die Durchführung einer Mediation, in deren Verlauf Frau K eine detaillierte Liste mit Forderungen vorlegt, von denen hier nur exemplarisch die oben bereits erwähnten Positionen genannt seien: „1. Er überschreibt mir das Eigentum am Haus. 2. Er zahlt mir bis ans Ende meines Lebens monatlich 1.000,- Euro. 3. Er zahlt für das Kind monatlich ebenfalls einen Betrag von 1.000,- Euro.“ Die Positionen des Mannes dagegen lauten: „1. Wir haben einen Ehevertrag geschlossen, in dem der Unterhalt für Dich ausgeschlossen wurde. Ich zahle also keinen Cent. 2. Das Haus kriegst Du auf gar keinen Fall. 3. Auch wenn ich dazu nicht verpflichtet bin, zahle ich für das Kind monatlich den einem normalen Kind zustehenden Kindesunterhalt.“
Im Verlauf des Verfahrens erfährt der Mediator, was hinter den Positionen der Frau steckt: Das Haus möchte sie eigentlich nur weiterhin bewohnen, weil sie befürchtet, aus einer gemieteten Wohnung bald wieder rauszufliegen, weil Klara durch ihre Behinderung sehr laut ist und Nachbarn stören könnte. Mehrfachen Umzügen fühlt sie sich nicht gewachsen. Geld für sich braucht sie als Sicherheit, um ihren bisherigen Lebensstil beizubehalten. Da sie ganztägig mit der Pflege Lauras beschäftigt ist, kann sie in ihren alten Beruf nicht zurückkehren - noch nicht einmal in Teilzeitarbeit - und ist damit zumindest vorerst auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Eine Berechnung des tatsächlichen Bedarfs lässt aber erkennen, dass der Betrag deutlich unter 2.000,- Euro liegt. Den Unterhalt für das Kind benötigt sie, um die für Laura angestrebte Schulausbildung zu finanzieren. Dabei stellt sich heraus, dass bereits seit langem geplant war, das Mädchen in 1 1/2 Jahren auf eine Ganztagsschule für stark behinderte Menschen zu schicken.
Alle diese Punkte werden Herrn K im Verlauf der Gespräche sehr deutlich und er beginnt, die Ängste seiner Frau nachzuvollziehen. Aber auch Frau K versteht, dass Herr K nicht bis ans Ende seines Lebens mit Unterhaltskosten belastet sein möchte; letztlich waren die Ereignisse, die zur Trennungsentscheidung geführt haben, beiderseitig und auch die Entscheidung selbst wurde gemeinsam getroffen. Deshalb soll nicht einer allein für die Folgen einstehen. Gemeinsam suchen sie nach Lösungen für die bestehende Problematik.
Das gefundene Ergebnis sieht wie folgt aus: Herr K baut ein weiteres Haus, das sein Eigentum wird, in dem er aber Frau K und Klara ein lebenslanges Wohnrecht einräumt. Er zahlt Frau K für die nächsten 1 1/2 Jahre den errechneten Unterhalt sowie die Schulkosten für Klara. Frau K verpflichtet sich, solange Klara in der Schule ist, ihre alte Berufstätigkeit wieder aufzunehmen und damit selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Den Unterhalt des Kindes werden beide dann hälftig leisten.
Wo ist FamilienMediation einsetzbar?
Die Familienmediation ist der Teilbereich der Mediation, der in Deutschland auf die längste Geschichte zurückblicken kann. Schon vor über zwei Jahrzehnten diskutierten Juristen und andere Experten über die Möglichkeiten, die die Familienmediation im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren bietet.
Die Familienmediation deckt eine Vielzahl von Bereichen ab. Mediation ist beispielsweise denkbar bei
* Trennung und Scheidung: Vom Trennungsbeschluss über Regelungen während eines laufenden Scheidungsverfahrens (Trennungsunterhalt, Nachscheidungsunterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Zugewinnausgleich …) bis zur Lösung von Streitigkeiten, die nach einer abgeschlossenen Scheidung etwa durch Änderungen der Umstände eintreten
* Konflikten in Patchworkfamilien
* Konflikten in interkulturellen Familien (jede dritte Ehe wird zwischen Partnern aus unterschiedlichen Kulturen geschlossen)
* Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten - auch bei nichtehelichen Kindern
* Unternehmensnachfolgen
* Generationenkonflikten
* Nachbarschaftskonflikten mit den Eltern oder Schwiegereltern
* …
Literatur zum Thema Familienmediation
Sozialministerium Baden-Württemberg, Unterstützung von Familien in Scheidung durch Familien-Mediation, Abschlussbericht einer Studie der Landesregierung Baden Württemberg, März 1999. Erhältlich beim Sozialministerium Baden-Württemberg, Schellingstr. 15, 70174 Stuttgart.
Gary J. Friedman, Die Scheidungsmediation. Anleitungen zu einer fairen Trennung, rororo.
Prisca Gloor Maung, Mediation - Wie wir uns einigen, wenn wir uns trennen, Herder-Taschenbuch.
Roland Proksch, Mediation - Vermittlung in familiären Konflikten, Juli 1998. Erhältlich beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Broschürenstelle-, Postfach 201551, 53145 Bonn.